Egometer – das gibt´s ja gar nicht!
Zumindest nicht als Begriff in der deutschen Sprache. Das tolaris Egometer ist ein Verfahren zur Vermessung des Ichs, allerdings in rein physischer Form. Das Ziel: ein Maßfahrrad – und nicht ein Maßrahmen. Benötigte Hilfsmittel: 1 Maßband und 1 Buch. Das Buch bzw. eine Buchkante dient zur Bestimmung der einen Körperposition, die andere wird durch eine Tür, Lehne etc. ermittelt.
Deine Messungen trägst du in das Formular ein!
Die blauen Größen in den Grafiken werden aus deinen Angaben errechnet. Die folgenden Schritte beschreiben die einzelnen Messungen.
Messung der Innenbeinlänge:
🚲14 Messung der Innenbeinlänge.
Messung der Außenbeinlänge:
🚲15 Messung der Außenbeinlänge.
Messung Ferse ⇔ Fußballen:
🚲16 Messung Ferse ⇔ Fußballen.
Messung der Außenoberschenkellänge:
🚲17 Messung der Außenoberschenkellänge.
Messung der Unterschenkellänge:
🚲18 Messung der Unterschenkellänge.
Messung der Fausthöhe:
🚲19 Messung der Fausthöhe.
Messung der Achselhöhe:
🚲20 Messung der Achselhöhe.
Messung der Schulterhöhe:
🚲21 Messung der Schulterhöhe.
Messung der Unterarmlänge:
🚲22 Messung der Unterarmlänge.
Das Ergebnis ist nicht die Angabe einer Rahmenhöhe, sondern die Berechnung deines Oberkörper- und Beindreiecks. Darin sind die wichtigsten Größen:
Der Sitzwinkel ist die Größe, die du frei bestimmen kannst. Die 60° sind ein Vorschlag, der sich an den Erkenntnissen der Fahrradergonomie orientiert: diese moderate Haltung ist für den Körper gut geeignet und gilt als ergonomisch. Die 60° sind ein Richtwert, kein Dogma. Eine aufrechtere Sitzhaltung kann ebenso "gut" sein, wenn der Rücken gerade gehalten wird. Eine Haltung wie auf dem Rennrad ist nicht mehr ergonomisch, für den Sportler jedoch Voraussetzung, um hohe Geschwindigkeiten zu erreichen.
🚲24 zeigt drei Beispiele, welche Haltung aus dem Sitzwinkel folgt:
🚲24 Sitzwinkel der verschiedenen Radtypen mit der Sitz- und Griffposition auf einer Horizontalen.
Du musst also wissen, wie du bzw. welchen Radtyp du fahren möchtest. Aus dem gewünschten Sitzwinkel und deinen Proportionen folgt die Sitzlänge, die mit deiner Rücken- und der Armlänge dein Oberkörperdreieck bildet.
Verändere den Sitzwinkel und starte jeweils eine neue Berechnung. Dann bekommst du ein Gespür dafür, welche Auswirkungen damit verbunden sind. Grundlage der berechneten Sitzlänge ist die Annahme, dass Sitz- und Griffposition wie in 🚲24 auf einer Horizontalen liegen. Diese Annahme ist ein Bezugspunkt, um unterschiedliche Sitzwinkel zu betrachten.
In der Realität werden bei den Radtypen Stadtrad und Sportrad die Griff- und Sitzposition nicht auf einer Horizontalen liegen und der Ellenbogen wird gewinkelt sein, wie in 🚲12 dargestellt.
🚲12 Sitzwinkel der verschiedenen Radtypen mit realistischer Sitz- und Griffposition.
Der Begriff Sitzlänge (und nicht Rahmenlänge) ist Absicht, weil die Sitzlänge in Abhängigkeit des Sitzwinkels den Abstand zwischen der Sitz- und der Griffposition angibt. Diese Sitzlänge kann über die Rahmenlänge beeinflusst werden, aber auch über die Kombination von Sattelstütze und Sattel sowie über die Kombination von Vorbau und Lenker.
🚲13 Oberkörper- und Beindreieck.
Die Sitzposition bildet mit dem Fußballen bei horizontaler Kurbelposition das Beindreieck, das den Pedalabstand bestimmt. Du kannst den Sitzrohrwinkel verändern und die Auswirkungen direkt betrachten. Standardrahmen liegen in dem Bereich zwischen 72° und 74°, für eine exakte Berechnung musst du also den Winkel des Rahmens kennen. Die Kurbellänge von 17 cm (= 170 mm) ist ebenfalls Standard. Die Auswahl an kleineren Kurbel (165 mm) und größeren Kurbeln (175 mm) ist überschaubar – Kurbeln > 175 mm sind die Ausnahme.
Diese beiden Dreiecke definieren den gewünschten Radtyp mit dem Fahrer und seinen Proportionen. Das Ergebnis soll eine Empfehlung für ein Maßfahrrad sein, nicht für einen Maßrahmen. Menschen mit normalen Körperproportionen (also keine Kopffüßler) bis 190 cm Länge werden aus dem Standardangebot von Rahmen und Zubehör ein passendes Fahrrad konfigurieren können.
Wenn du nur an dem Ergebnis interessiert bist, kannst du die Ausführungen zur Rahmengeometrie und Fahrradergonomie überspringen und bei der richtigen Interpretation der Berechnung weiterlesen. Wenn dich das Warum interessiert, dann lies bitte hier weiter…
Bei den Rahmen werden in der Regel die Rahmenhöhen (auch Rahmengröße oder Sitzrohrlänge genannt) angegeben – warum verwendet tolaris diesen Begriff nicht? Bei der Beantwortung hilft ein Blick auf die Rahmengeometrie mit einem Kommentar zu den wichtigsten Größen.
Die Rahmenhöhe ist kein genormter Begriff, viele Hersteller verstehen darunter etwas anderes. Selbst die Angabe der Sitzrohrlänge ist wenig aussagekräftig: ein zu kurzes Sitzrohr wird bei Bedarf mit einer Sattelstütze verlängert – und ergibt damit die korrekte Sitzhöhe. In 🚲25 ist die Sitzrohrlänge (A) definiert als Abstand Tretlagermitte bis Rohrende – aber wie bereits geschrieben: diese Definition ist nicht genormt.
Wichtig ist die erzielbare Sitzhöhe (O) aus Sitzrohr und Sattelstütze, nicht die Rahmenhöhe.
Eine wichtige Rahmeneigenschaft ist jedoch das Oberrohr, falls vorhanden. Und ob es horizontal verläuft oder geneigt ist. Denn der Abstand Rohroberseite – Boden sollte an der Standposition (also etwas vor dem Sattel) kleiner als die Innenbeinlänge sein – damit der Fahrer bequem stehen kann. In 🚲25 ist die Oberrohrhöhe (G) als der Abstand vom Boden bis zum Schnittpunkt des Oberrohrs und Sitzrohrs definiert. Diese Definition ist zwar praxisgerecht – hängt jedoch nicht nur von der Rahmengeometrie ab, sondern auch von der Bereifung: ein breiterer Reifen ist höher und damit steigt die Oberrohrhöhe.
Ob das Oberrohr gewinkelt ist oder nicht und ob es überhaupt vorhanden ist oder nicht – für die Rahmengeometrie ist die Rahmenlänge (B) interessant. Und die lässt sich auch ohne Oberrohr ermitteln.
🚲25 Rahmengeometrie
Größen der Rahmengeometrie in 🚲25
Anders ausgedrückt ist es möglich, einen Rahmen anzupassen mit Hilfe der richtigen:
Durch die Sattelstütze wird der Rahmen "höher", durch die Sitz- und Griffposition "länger" oder "kürzer".
Wenn mit diesen Maßnahmen der Rahmen nicht angepasst werden kann, sollte ein Rahmen mit einem anderen Sitzwinkel gesucht werden. Wenn der nicht lieferbar sein sollte, macht die Anfertigung des Maßrahmens Sinn.
Die Kettenstrebenlänge (D) und der Steuerrohrwinkel (N) beeinflussen neben der Rahmenlänge den Radabstand (E) – und der hat Auswirkungen auf das Fahrverhalten:
Industriell hergestellte Rahmen werden in der Regel in verschiedenen Größen angeboten. Für die mir bekannten Rahmenbaureihen gilt: eine größere Rahmenlänge bedeutet ein längeres Sitzrohr. Anders ausgedrückt ist ein längerer Rahmen auch größer. Ein größerer Rahmen verlangt eine kürzere Sattelstütze und eine kleinere Vorbaulänge. Bei einigen Rahmenbaureihen ist der Sitzrohrwinkel bei allen Größen gleich, bei anderen wird der Sitzrohrwinkel kleiner mit wachsender Rahmengröße. Der Sitzrohrwinkel wird bei Maßrahmen den Proportionen des Fahrers angepasst, damit der Pedalabstand stimmt.
Die Tretlagerhöhe (F) ist einerseits bedingt durch den für den Rahmen vorgesehenen Felgendurchmesser, verändert sich andererseits mit der Reifenhöhe. Anders ausgedrückt sollten (und meistens können) auf einem Rahmen für 622-er Felgen (28") keine 559-er Felgen (26") gefahren werden. Mit breiteren = höheren Reifen kann aus einem 28"-er jedoch ein 29"-er werden, sofern der Reifen noch genügend Platz hat.
Für die meisten Fahrer ist die Tretlagerhöhe jedoch nicht interessant. Für Fahrer über 190 cm Länge ist evtl. eine größere Kurbellänge (L) als 170 mm erforderlich. Damit die Kurbel in Kurven keinen Bodenkontakt bekommt, ist evtl. ein höher liegendes Tretlager erforderlich oder eben ein höherer Reifen.
Die Vorbaulänge (H) entsteht aus der Kombination von Vorbau und Lenker und bestimmt die Griffposition. Die Vorbaulänge ist in 🚲25 als "Rahmenverlängerung" ausgeführt, die Griffposition verschiebt sich bei einem geraden Lenker weiter nach vorne. Ein kurzer Vorbau kombiniert mit einem Stuttgarter oder Toulouse Lenker wirkt dagegen als "Rahmenverkürzung". Die Vorbaulänge kann demnach einen positiven oder negativen Wert annehmen.
Ausschlaggebend für die Sitzlänge (K) sind die Sitzposition, die Rahmenlänge und die Griffposition. Die Sitzposition ist in 🚲25 der Schnittpunkt der Sitzrohrgeraden mit der Satteldecke. Die Sitzposition kann jedoch erheblich wie in 🚲26 davor oder dahinter liegen.
Der hier gezeigte Diamantrahmen dient als Beispiel, weil er weit verbreitet ist. Die Rahmengeometrie ist jedoch nicht an eine Rahmenform gebunden, sondern gilt universell. Bis auf die Oberrohrhöhe verfügt jede Rahmenform über die in 🚲25 angegebenen Werte.
Da die Maschine dem Menschen dienen soll, wird die optimierte Anordnung der verwendeten Komponenten betrachtet: die Fahrradergonomie. Dazu zuerst einige Definitionen der verwendeten Begriffe:
🚲26 Ergonomie am Tourenrad.
🚲26 zeigt einen Fahrer in der Tourenradposition mit einem Sitzwinkel von 60°. Die Sitz- und Griffposition sind auf gleicher Höhe. Die Knievorderseite ist im Lot über der Pedalachse. Der Arm ist gestreckt und annähernd im rechten Winkel zum Rücken. Diese Haltung gilt bei Sportwissenschaftlern als ergonomisch. Auch eine Griffposition über der Sitzposition gilt als ergonomisch. Als besonders empfehlenswert gelten Touren-Lenker, die unterschiedliche Griffpositionen und -höhen erlauben.
Für die Ergonomie ist nicht nur das Oberkörperdreieck mit der Sitzlänge wichtig, sondern ebenso das Beindreieck für den Pedalabstand. Das wird beeinflusst durch:
Die Sitzhöhe resultiert aus der Innenbeinlänge, sie sollte nur gering verändert werden und taugt zur Einstellung des Pedalabstands wenig.
Der Sitzrohrwinkel ist durch den Rahmen vorgegeben. Viele Rahmenhersteller verbauen das Sitzrohr mit einem Winkel zwischen 72° und 74°. Häufig wird der Rahmen in verschiedenen Größen (meistens als Rahmenhöhe bezeichnet) angeboten. Je nach Rahmen und Hersteller ist der Sitzwinkel bei allen Rahmenhöhen gleich, oder der Winkel wird kleiner mit der Rahmenhöhe. (Und damit der Pedalabstand größer, was den längeren Beinen längerer Menschen entgegenkommt.) Die Auswirkungen sind überschaubar: bei einer Innenbeinlänge von 90 cm verändert sich der erzielbare Pedalabstand zwischen 72° und 74° nur um ca. 2,5 cm.
🚲27 Ergonomie auch stehend.
Das Sattelgestell erlaubt eine Verschiebung der Sattelposition. Je nach Hersteller und/oder Sattelkonstruktion lässt sich die Sitzposition um 3,5 cm verschieben. Durch die geeignete Sattelstütze kann die Sitzposition um weitere 8 cm verschoben werden – zusammen also 11,5 cm. Da mit Ausnahme von Parallelogrammsattelstützen die Sattelbefestigung nach vorne oder nach hinten zeigend eingebaut werden kann, beträgt der Einstellungsbereich ± 11,5 cm.
Längere Kurbeln (von 170 mm auf 175 mm) bringen für den Pedalabstand nicht viel. Noch längere Kurbeln sind einerseits kaum zu bekommen, andererseits führen sie in Kurven eher zu einem ungewollten Bodenkontakt.
Da die Berechnung keine Rahmengröße sondern zwei Körperdreiecke liefert, soll die Interpretation anhand der bereits verwendeten drei Sitzwinkel erfolgen. Bei den errechneten Sitzlängen sind die Sitz- und Griffposition auf einer horizontalen Geraden mit gestrecktem Arm. Im Idealfall sollte der Oberarmwinkel 90° betragen. In den Grafiken unten wäre dieser Fall in einem Sitzwinkel zwischen Touren- und Sportposition erreicht. Daraus folgt nicht, dass alle anderen Haltungen nicht eingenommen werden sollten. Die Griffposition kann durch einen gewinkelten Ellenbogen angepasst werden.
Der Einstellungsbereich für die Sattelposition ist mit dem hellblauen Parallelogramm gekennzeichnet. Innerhalb des Bereichs kann jede Sitzposition eingenommen werden. Der Einstellungsbereich für die Griffposition ist ebenfalls hellblau dargestellt – auch hier kann jede Position eingenommen werden. Voraussetzung ist in beiden Fällen die entsprechende Kombination der Komponenten.
Die Grafiken zeigen einen Fahrer mit seinen Proportionen und einen Rahmen in maßstabsgerechter Darstellung mit den möglichen Einstellungsbereichen.
Fahrer:
Beispielrahmen:
Einstellungsbereich:
🚲28 Sitzwinkel mit 75°
Dieser Fahrer kann mit seiner Armlänge und dem Sitzwinkel von 75° nicht mit der Sitz- und Griffposition auf einer horizontalen Geraden fahren. Der Fahrer muss den gestreckten Arm entweder höher heben oder den Arm anwinkeln, um in den Einstellungsbereich zu gelangen. Die höhere Griffposition passt zu der eher aufrechten Sitzweise. Beide Haltungen sind ergonomisch.
Nachteil: bei diesem Sitzwinkel neigt der Fahrer eher dazu, einen Rundrücken zu bilden.
🚲29 Sitzwinkel mit 60°
Die Tourenradposition hat mit 60° einen moderaten Rückenwinkel, die Faust liegt fast am Steuerrohr und der Oberarmwinkel kommt dem Ideal von 90° recht nah. Hier reicht ein kleiner Vorbau, wenn der Fahrer wirklich mit durchgestrecktem Arm fahren will. Dieser Sitzwinkel gilt als optimal.
Als ideale Ergänzung gilt ein Lenker, der verschiedene Griffpositionen erlaubt.
🚲30 Sitzwinkel mit 45°
Bei einer sportlichen Haltung liegt die Faust weit vor dem Steuerrohr, wenn die Sitz- und Griffposition auf einer Horizontalen liegen sollen. Diese Haltung ist mit Triathlon-Lenkern möglich: wer so fahren will, benötigt einen langen Vorbau. Alternativ kann der Fahrer seinen Ellenbogen winkeln und die Faust näher am Körper positionieren. Je nach Armwinkel liegt die Griffposition unter der Sitzposition.
Nachteil: Der Sitzwinkel bedingt einen angewinkelten Kopf. Diese Haltung ist nicht ergonomisch. Langjährige Rennradfahrer berichten über Probleme im Nacken.
Die Betrachtungen der drei Radtypen zeigen, wie ein Rahmen bzw. eine Rahmengröße an den Fahrer angepasst und zum Maßfahrrad wird. Der Bedarf für einen Maßrahmen wird nur in seltenen Fällen entstehen. Wem das optische Erscheinungsbild gleich ist, kann zu große Rahmen "verkleinern" und umgekehrt.