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Passiv

Das Passiv betont, wer oder was einen Vorgang erlebt oder sich (nach einem erlebten Vorgang) in einem Zustand befindet:

  1. Vorgangspassiv wie in 2.1.3¹ „Das Geschäft wird eröffnet.“
  2. Zustandspassiv wie in 2.1.3² „Das Geschäft ist eröffnet.“

Das grammatikalische Subjekt² Geschäft erlebt in 2.1.3¹ einen Vorgang, in 2.1.3² ist es in einem Zustand. Der Verursacher ist im Gegensatz zum Aktiv meistens unwichtig.

Ein Passiv lässt sich als Aktiv formulieren: „Jemand eröffnet das Geschäft.“ oder wie in 1.1.1 „Ich eröffne das Geschäft.“ Im Aktiv ist Geschäft das grammatikalische Objekt² (Akkusativobjekt), das im Passiv als Subjekt² (meistens) im Vordergrund steht. Ein Dativobjekt kann dort ebenfalls stehen:

🅐 Das Vorgangspassiv §2 🇩🇪

  1. besteht aus dem (konjugierten) Hilfsverb werden + Partizip II eines Vollverbs.
  2. steht häufig im Präsens oder Perfekt.
  3. kann einen wichtigen Verursacher nennen „Das Geschäft wurde (vom Bürgermeister) eröffnet.“ oder weglassen „Das Geschäft wird geöffnet.“.
  4. macht keine eindeutige Aussage über den konkreten Zeitpunkt des Vorgangs:
    1. „Das Fenster wird geschlossen.“ drückt (eher) einen aktuellen oder kurzfristig anstehenden Vorgang aus. „Das Fenster wird gerade geschlossen.“ lässt über den Zeitpunkt keinen Zweifel. (geschlossen ⚁₊schließen)
    2. „Die Straße wird oft gereinigt.“ formuliert einen grundsätzlichen Vorgang. (gereinigt ⚁₊reinigen)
    3. „Er wird gezwungen zu gehen.“ formuliert (eher) einen grundsätzlichen Vorgang. „Er wird gerade gezwungen zu gehen.“ formuliert eindeutig den aktuellen Vorgang. (gezwungen ⚁zwingen)

🅑 Das Zustandspassiv:.

  1. entspricht einem vollendeten Vorgang – also der Vergangenheit und aktuell einem Zustand – aus dem (konjugierten) Hilfsverb sein + Partizip II eines Vollverbs:
    1. „Das Fenster ist (bereits) geschlossen.“
    2. „Die Straße war (bereits) gereinigt.“
    3. „Er ist gezwungen zu gehen.“ formuliert (eher) einen grundsätzlichen Zustand, der sich vom Vorgangspassiv „Er wird gezwungen zu gehen.“ in der Aussage nicht unterscheidet.
  2. steht häufig im Präsens oder Präteritum.
  3. nennt den Verursacher nicht, sofern er nicht eine wichtige Information darstellt:
    1. „Das Fenster ist geschlossen.“ – der Verursacher ist unwichtig.
    2. „Das Gebiet ist von Nomaden bewohnt.“ – Nomaden bildet eine wichtige Information.
    3. „Der Kompost ist von Würmern durchsetzt.“ – Würmern bildet eine wichtige Information.
  4. ist leicht zu verwechseln mit dem Aktiv Perfekt bei Verben, die nach §3 🇩🇪⒉ das Perfekt mit sein bilden.
  5. verwendet ein Partizip II als Verb und als Adjektiv, wenn das Partizip II synonym mit einem reinen Adjektiv ist (was vom Kontext und dem Tempus abhängt):
    1. SX22 > 650 „Ich bin gelangweilt {lustlos}.“ Diese Aussage im Präsens bedeutet „Ich kann mit mir nichts anfangen.“
    2. 3.1.3 „Das Geschäft ist geöffnet {offen}.“
  6. verwendet ein Partizip II als Verb, wenn das Partizip II nicht synonym mit einem reinen Adjektiv ist:
    1. SX22 > 650 ist als Perfekt „Ich bin gelangweilt {lustlos} worden.“ mit dem Adjektiv lustlos nicht möglich, mit gelangweilt als Verbform von langweilen schon.
    2. In „Ich bin von dem Vortrag gelangweilt.“ ist gelangweilt nicht synonym mit lustlos. Deswegen ist lustlos als figurativer Begriff 👌 gekennzeichnet. (SX22 > 243)
    3. 3.1.3 als Perfekt „Das Geschäft ist geöffnet {offen} worden.“ ist mit dem Adjektiv offen nicht möglich, mit geöffnet als Verbform von öffnen schon.
    4. 2.1.3² „Das Geschäft ist eröffnet.“
    5. SX21 > 647 „Ich bin in der Kirche engagiert.“
  7. ist nach ⒈ eine grammatikalische Konstruktion, kein Überbegriff für alle Begriffe, die einen Zustand im Passiv beschreiben. Ein Zustandsreflexiv wie in §3 🇩🇪⒌ beschreibt ebenso einen Zustand im Passiv wie eine Formulierung mit sein und Adjektiv wie in §3 🇩🇪⒏

Hinweis Das Partizip II in der Doppelrolle als Verb oder Adjektiv findet in den Textbeispielen 𝑻𝒙𝒕 Berücksichtigung, in Spalte Link ist das Partizip II als Adjektiv gelangweilt und Verb langweilen notiert. (SX22 > 650)

SX21 Das Partizip II engagiert¹ in 647 als Verb mit dem Link zum Verb engagieren¹.

SX22 Das Partizip II gelangweilt¹ in 650 in seiner Doppelrolle mit einem Link zum Adjektiv gelangweilt¹ und zum Verb langweilen¹.

§3 🇩🇪

  1. Ein Zustandspassiv formuliert einen vollendeten Vorgang, der sich als Vorgangspassiv und als Aktiv formulieren lassen muss:
    1. 2.1.3² „Das Geschäft ist eröffnet.“
    2. 2.1.3¹ „Das Geschäft wird eröffnet.“
    3. 1.1.1 „Ich eröffne das Geschäft.“
  2. Verben, die ihr Perfekt mit sein bilden, können nicht im Passiv stehen.
    1. ⤓ „Der Mann ist schnell gelaufen.“ ist Aktiv Perfekt, kein Zustandspassiv.
    2. „Der Mann wird schnell gelaufen.“ ist keine semantisch korrekte Aussage.
  3. Verben ohne Akkusativobjekt können nicht im Passiv stehen. In ⥅ „Der Mann arbeitet.“ ist arbeiten ein intransitives Verb. Nicht möglich sind die Formulierungen:
    1. ⤸ „Der Mann ist gearbeitet.“
    2. ↻ „Der Mann wird gearbeitet.“
  4. Rein reflexive Verben bilden ein Zustandsreflexiv, kein Zustandspassiv. In „Der Mann verliebt sich.“ sind Akkusativobjekt sich und Subjekt² Mann identisch. ⥆ „Der Mann ist verliebt.“ ist ein Zustandsreflexiv. Nicht möglich sind die Formulierungen:
    1. ↻ „Der Mann wird verliebt.“
    2. ⥅ „Jemand verliebt den Mann.“
  5. Reflexiv und transitiv nutzbare Verben bilden ein Zustandsreflexiv und ein Zustandspassiv. „Der Mann ist rasiert.“ ist ein:
    1. Zustandspassiv, sofern er rasiert wurde. ⥅ „Jemand rasiert den Mann.“ und ↻ „Der Mann wird rasiert.“ sind mögliche Aussagen.
    2. Zustandsreflexiv, sofern er sich selbst rasiert hat.
  6. Ein Zustandspassiv erlaubt Modifikatoren in Form von Adverbien und/oder als adverbiale Bestimmungen:
    1. ⤸ „Das Geschäft ist (pünktlich) eröffnet.“ mit dem Adverb pünktlich.
    2. ⤸ „Das Geschäft ist (vom Inhaber) (zum Saisonstart) eröffnet.“ mit den adverbiale Bestimmungen vom Inhaber und zum Saisonstart.
  7. Eine Aussage mit einem Partizip II bzw. Adjektiv als Synonym ist zweideutig. 3.1.3 „Das Geschäft ist geöffnet {offen}.“ nur mit dem:
    1. Adjektiv („Das Geschäft ist offen.“) ist Aktiv Präsens, kein Zustandspassiv.
    2. Partizip II („Das Geschäft ist geöffnet.“) ist ein Zustandspassiv mit geöffnet nach 🅑⒌ in einer Doppelrolle aus Verb und Adjektiv.
  8. Eine Aussage mit sein und einem reinen Adjektiv ist kein Zustandspassiv. ⥅ „Der Mann ist schön.“ ist Aktiv Präsens (Vorgangsaktiv) mit sein + Adjektiv als Kopulaverb nach §8 🇩🇪.
    1. Das Adjektiv schön gehört als Wortart 𝑨 zu der Klasse 🙄 und beschreibt einen Zustand als angeborene Veranlagung, den der Mann passiv erlebt.
    2. ⥅ „Der Mann ist schön.“ ist als Textbeispiel 𝑻𝒙𝒕 sowohl mit der Klasse 🙄 als auch der grammatikalischen Kategorie gekennzeichnet.
Passivbildung

🅒 Die Bildung des Passivs erfolgt mit transitiv genutzten Verben – mit einigen Ausnahmen.

Nach §1 🇩🇪 bilden kein Passiv:

  1. unpersönliche Verben (z. B. es gibt etc.)
  2. Verben, die Besitz und Haben ausdrücken (z. B. besitzen, haben, umfassen etc.)
  3. Verben, die eine Quantität ausdrücken (z. B. beinhalten, enthalten, kosten etc.)
  4. Verben, die das Perfekt mit sein bilden (z. B. gehen etc.)

🅓 Alternative Passivkonstruktionen:

  1. Ein Aktiv ohne Akkusativobjekt („Wir öffnen auch sonntags.“) hat im Passiv kein Subjekt², ist also unpersönlich. „Es wird auch sonntags geöffnet.“
  2. mit man + Formulierung im Aktiv:
    1. „Die Besucher werden zum Konzert gefahren.“
    2. „Man fährt die Besucher zum Konzert.“
  3. mit lassen (konjugiert) + sich + Infinitiv:
    1. „Die Katastrophe kann verhindert werden.“
    2. „Die Katastrophe lässt sich verhindern.“
  4. mit sein (konjugiert) + Adjektiv mit Suffix bar:
    1. „Die Katastrophe kann verhindert werden.“
    2. „Die Katastrophe ist verhinderbar.“
  5. mit sein (konjugiert) + zu + Infinitiv:
    1. „Die Katastrophe muss verhindert werden.“
    2. „Die Katastrophe ist zu verhindern.“
  6. mit zu + Formulierung mit Partizip I (konjugiert):
    1. „Die Katastrophe, die verhindert werden muss …“
    2. „Die zu verhindernde Katastrophe ist …“
  7. mit bekommen/kriegen (konjugiert) + Formulierung mit Partizip II:
    1. „Dem Schuldner wird ein Aufschub gewährt.“
    2. „Der Schuldner bekommt einen Aufschub.“
                                                                                       
1.1.1Ich eröffne das Geschäft.PräsensAktivVorgang
1.2.1Ich habe das Geschäft eröffnet.PerfektAktivZustandsaktiv
1.2.3Der Mann hat das Geschäft eröffnet.PerfektAktivZustandsaktiv
1.4.1Ich hatte das Geschäft eröffnet.PlusquamperfektAktivZustandsaktiv
2.2.3²Das Geschäft hat eröffnet.PerfektAktivZustandsaktiv
2.4.3Das Geschäft hatte eröffnet.PlusquamperfektAktivZustandsaktiv
3.1.1Ich öffne das Geschäft.PräsensAktivVorgang
4.1.3Der Kellner schreibt (dem Gast) die Rechnung.PräsensAktivVorgang
5.1.3Der Mann läuft schnell.PräsensAktivVorgang
5.2.3Der Mann ist schnell gelaufen.PerfektAktivZustandsaktiv

▤Aktiv

                                                                                       
2.1.3¹Das Geschäft wird eröffnet.PräsensPassivVorgang
2.1.3²Das Geschäft ist eröffnet.PräsensPassivZustand
2.2.3¹Das Geschäft ist eröffnet worden.PerfektPassivVorgang
2.3.3Das Geschäft war eröffnet.PräteritumPassivZustand
3.1.3Das Geschäft ist geöffnet {offen}.PräsensPassivZustand
4.1.3¹Die Rechnung wird (dem Gast) geschrieben.PräsensPassivVorgang
4.1.3²Dem Gast wird die Rechnung geschrieben.PräsensPassivVorgang

▤Passiv

Das Aktiv 1.1.1 beinhaltet:

Das Passiv 2.1.3¹ beinhaltet:

Das Objekt² im Aktiv wird zum Subjekt² im Passiv.

Hinweis Legende x.y.z: